Mulchmäher –
mit öffentlichem Geld und Technik gegen Artenvielfalt
Dr. Friedrich Buer
16.
Oktober 2016
„Mulchen“
klingt harmlos und soll es wohl auch. Tatsächlich wird dabei alles frikassiert,
was nicht fliehen kann und was die „Ordnung“ stört. Unzählige Kleintiere, Eidechsen,
Vogelnester, Junghasen, Blumen in voller Blüte, Gebüsch mit Vogelnestern, junge
Bäume, Plastiktüten, Dosen, Flaschen, ja selbst Grenzsteine und Betonröhren
müssen dran glauben. Nur vordergründig geht es um „Grünpflege“. In Wahrheit
wird ein unsinniger Putz- und Ordnungstrieb befriedigt. Finanziert wird dieser
Angriff auf die Artenvielfalt meist mit öffentlichem Geld. Er ist deshalb auch
ein Fall für die Rechnungshöfe und ein Signal für das Versagen des Naturschutzes
in Deutschland.
Mit
öffentlichem Geld gegen die Artenvielfalt
Betroffen
sind Straßen- und Wegränder, die Deutschland als Verbund von Saumbiotopen wie
ein riesiges Netz überziehen. Allein Autobahnen, Bundes-, Land- und
Kreisstraßen sind 230.000 km lang. Auch Gemeindestraßen, Feldwege und sogar Waldwege
werden gemulcht. Da Straßen und Wege zwei Ränder haben, addiert sich die Länge aller
Straßen- und Wegränder auf mindesten eine Millionen Kilometer. Das ist ein
Band, das fünfundzwanzigmal um die Erde passt! Selbst wenn davon nur die Hälfte
gemulcht wird, sind das 1.500 Quadratkilometer, was zwei Dritteln der Fläche
des Saarlandes entspricht. Inzwischen werden sogar Wiesen und Bachufer, vereinzelt
auch Flussufer gemulcht.
Zerstörter
Wasserdurchlass unter einem Waldweg im bayerischen Staatsforst
Gemulcht
wird das ganze Jahr über, auch wenn im Sommer alles blüht. Mit den Pflanzen wird
die Basis lebenswichtiger Nahrungsketten zerstört, die mit den Pflanzen beginnen
und über Kleintiere zu Amphibien, Reptilien, Kleinsäugern und Vögeln führen. Außerdem
wirkt das Mulchmaterial wie Dünger, was Arten verdrängt, die nährstoffarme
Böden brauchen und gerade die sind besonders gefährdet. Regenwasser fließt auf
den glatt rasierten Flächen schneller ab. Das beeinträchtigt die Grundwasserbildung
und verschärft bei Starkregen die Hochwassergefahr.
Wir
fordern das Mulchen von Straßen- und Wegrändern und anderen Flächen zu beenden.
Wir sind für technischen Fortschritt. Doch wenn er den Artenschutz beschleunigt,
dann ist der Fortschritt ein Rückschritt. Es gibt bewährte Pflegetechniken, die
den Bewuchs sauber abschneiden und Tieren eine Chance lassen. Gemäht werden
sollte im Spätherbst oder Winter und im Sommer nur, wenn es die
Verkehrssicherheit erfordert. Die Ränder von Waldwegen müssen, wenn überhaupt,
nicht jedes Jahr gemäht werden.
Der
Mulchmäher lässt Kleintieren keine Chance. Besser ist ein sauberer Schnitt wie mit
dem Balkenmäher.
Beide Heuproben wiegen jeweils 40 Gramm.
Mulchmäher sind ein Beispiel dafür, wie Technik
missbraucht werden kann und die Folgen unterschätzt werden. Sie mähen nicht
nur, sondern häckseln und zerquetschen das Mähgut. Deshalb kann es
liegenbleiben und da kompostieren, wo es gewachsen ist. So bewegen sich seine
Nährstoffe im Kreislauf und Kosten werden gespart. Vor allem aber, nach dem
Mulchen sieht alles „sauber und ordentlich“ aus. Wirklich ein Fortschritt?
Raupe des Schwalbenschwanzes
Schwalbenschwanz, frisch geschlüpft
Direkt vor dem Mulchmäher im ersten Bild stehen weiß
blühende wilde Möhren. Sie sind Futterpflanzen für die Raupen des Schwalbenschwanzes,
an der auch seine Puppen hängen können. Beide sind bestens getarnt. Doch der
Mulchmäher frikassiert sie. Er häckselt alles, was in sein Schneidwerk gerät,
egal ob Dosen, Flaschen Plastiktüten oder Kleintiere. Er macht alles „sauber
und ordentlich“, doch der Artenvielfalt bringt er Tod und Verderben.
Grüne Kugelspinne in Brennnessel. Spinnen sind die wichtigsten Gegenspieler der Insekten.
Es sind vor allem Spinnen und Insekten sowie ihre
Entwicklungsstadien, die gehäckselt werden. Meist sind sie klein und
unscheinbar. Trotzdem stellen sie den Löwenanteil der Artenvielfalt unter den
Tieren in Deutschland. Neben den Pflanzen sind sie die unverzichtbaren Glieder
vieler Nahrungsketten, ohne die größere Tiere, wie zum Beispiel viele
Vogelarten, nicht überleben können. Doch der Mulchmäher frikassiert auch
Schnecken, Frösche, Eidechsen, Blindschleichen, Vogelnester und Junghasen. Er
hinterlässt eine Spur des Todes. Selbst streng geschützte Orchideen werden
vernichtet.
Diese
Epipactis – Orchidee wächst gern an Waldwegen. Werden sie im Winterhalbjahr
freigeschnitten, ist das harmlos, im Sommer ein Todesurteil.
Der einzelne Fruchtstand
des Aronstabs mit roten Beeren überlebte, weil ihn der Mulchmäher nicht
erreichte. Die gehäckselten sieht man nicht.
Wer überlebt
dieses Frikassee? Das gelbe Labkraut und der bunte Wachtelweizen blieben durch
Zufall verschont. Auch unseren Honigbienen und Hummeln und den anderen Wildbienen
werden die Nektar- und Pollenquellen weggehäckselt.
Fatal ist das Mulchen für Bodenbrüter. Wo sollen die Lerchen noch brüten, wenn nicht an den Wegrändern? Sogar Weiherränder, Bachränder und vereinzelt Flussränder werden gemulcht.
Fortsetzung 2. Teil (s. Ältere Posts)
Dr. Friedrich Buer
Dr.
Friedrich Buer ist Gründungsmitglied und Beirat des „Verein für
Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern e.V. – VLAB“, einem neuen
offiziell anerkannten Natur- und Umweltschutzverband. Ehrenpräsidenten sind
Enoch zu Guttenberg und Hubert Weinzierl.