Samstag, 17. September 2016

Rezension: Josef H. Reichholf, Evolution – eine kurze Geschichte von Mensch und Natur

Rezension:

Josef H. Reichholf, Evolution – eine kurze Geschichte von Mensch und Natur

Mit Illustrationen von Johann Brandstetter, 238 Seiten, Carl Hanser Verlag München 2016

ISBN 978-3-446-24521-1, 22,90 €

 

 

 

 

 

Aber hier steht ab 12 Jahre, sagte meine Buchhändlerin. Dann darf ich es schon lesen, antwortete ich und bestellte das Buch. Allerdings, ein Kinderbuch ist das sicher nicht. Dafür eine gekonnte Auswahl der Ergebnisse der Evolutionsforschung seit den Zeiten von Charles Darwin, meisterhaft ohne eitles Fachchinesisch geschrieben und von Johann Brandstetter liebevoll illustriert. Es ist die Liebe zur Natur, die uns zum Artenschutz bringt. Warum Arten aussterben, wie neue entstehen, wie sie untereinander und mit ihrer unbelebten Umwelt wechselwirken und wie letztlich das Leben entstehen konnte und wohin die Reise geht, auch unsere eigene, das sind Fragen, die sich erst nach und nach einstellen. Für den Artenschutz sind sie jedoch fundamental. Und genau diese Fragen werden behandelt, immer an Beispielen, wie an uns Menschen, an Hunden und Katzen, an Vögeln, an Mikroorganismen, aber auch an Sprachen, Religionen und Gebräuchen. Wer zum Beispiel nur das Kapitel über die Entstehung des Menschen liest, versteht besser, warum es einerseits aufopfernde Liebe und andererseits unsägliche Grausamkeiten gibt, warum es so viele Sprachen und Dialekte gibt und warum - ganz aktuell - die Integration von Fremden hohe biologische Hürden überwinden muss. Reichholf nimmt seine Leser mit, auch bei schwierigen Themen. Besonders hat mir gefallen, dass er manche Gewohnheiten im Artenschutz hinterfragt, die innere Dynamik der Evolution betont und zum kritischen Nachdenken anregt.

Prof. Dr. Josef H. Reichholf lehrte über dreißig Jahre lang Naturschutz an der Technischen Universität München. Seine Sicht auf die Evolution der Arten orientiert sich an naturwissenschaftlichen Erkenntnissen. Das passt nicht in das ideologisch dominierte Weltbild einiger Naturschutzfunktionäre. Ich bin sogar von einem Spitzenfunktionär des Bund Naturschutz in Bayern e. V. vor ihm gewarnt worden. Wer aber Ideologie vor Naturwissenschaft setzt, beschleunigt den Artenschwund, statt ihn zu bremsen. 


Dr. Friedrich Buer
16. 9. 2016



Dr. Friedrich Buer ist Gründungsmitglied und Beirat des „Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern e.V. – VLAB“, einem neuen offiziell anerkannten Natur- und Umweltschutzverband. Ehrenpräsidenten sind Enoch zu Guttenberg und Hubert Weinzierl.



















Donnerstag, 8. September 2016

Artenschutz ist Menschenschutz

   Hannibal II im Nato-Look – und was in der Tarnung steckt



 
Was ist das denn? 

Das ist Hannibal II, unsere Maurische Landschildkröte (Testudo graeca). Seine Heimat reicht vom Kaspischen Meer bis Südspanien. Doch unser Hannibal kommt aus einer hiesigen Zucht. Ein Findling, der mit Nagellack verziert wurde. Hannibal heißt er, weil seine Vorfahren auch über die Alpen kamen. Jetzt hat er es gut, denn er lebt bei uns, mag und kennt sein Frauchen, weil die ihn füttert und im Garten laufen lässt, wo er Leckereien findet. Alle anderen beißt er weg und vertreibt sie mit Rammstößen, egal ob groß oder klein, ob Hund oder Herrchen, der nur sein Gehege pflegen möchte. Beim Gartenausflug ist es dann passiert. Hannibal II schreitet zügig auf den Gartenteich zu und - Schildkröten sind schneller als man denkt – platsch - versinkt er im grünen Teppich der Schwimmpflanzen. Strampelnd wird er geborgen und in seiner Nato-Tarnung portraitiert.



Wie ein grüner Teppich schwimmt der Algenfarn Azolla filiculoides auf dem Teich und vom Ufer her wächst Gras und Pfennigkraut, Lysimachia nummularia, hinein


Das grüne Zeug auf seinem Panzer ist ein ganz besonderes Zeug. Es ist der Algenfarn Azolla filiculoides. Wer kennt den schon? Und doch ist er ein Beispiel dafür, welche ungeahnten Möglichkeiten in kaum bekannten Arten stecken. Es gibt ihn schon seit der Kreidezeit, die vor 146 Millionen Jahren begann. Nicht ausgeschlossen also, dass schon die Dinosaurier Azolla kannten und im Nato-Look aus den Sümpfen auftauchten. Ursprünglich stammt Azolla filiculoides aus Amerika. Inzwischen ist er weltweit verbreitet, bei uns unter anderem am Oberrhein und seit zwei Jahren in unserem Gartenteich.



Ein dichter Wald aus Wurzeln hängt ins Wasser 


Unter Farn stellt man sich etwas mit Farnwedeln vor. Die zeigen sich aber erst in der Makroaufnahme. Sie sind grün beschuppt und verzweigen sich wie Tannenzweige. Die Unterseite taucht ins Wasser und aus ihr hängen die dünnen braunen Wurzeln. Von der Oberseite perlt alles Wasser ab und was man auch versucht, die Oberseite zeigt immer wieder nach oben. Diese Eigenschaft - neuerdings Lotuseffekt genannt - ist also schon viele Millionen Jahre alt und für Azolla ein alter Hut. 



„Wedel“ mit Schuppen und Wurzeln. An der Oberseite perlt Wasser und Schmutz ab: Lotuseffekt


Das ganz Besondere an Azolla liegt verborgen in sackartigen Einsenkungen an der Unterseite der Schuppen. Es gibt dem Grün der Wedelchen einen Blaustich und ist nur im Mikroskop zu sehen. Es ist das Cyanobakterium Anabaena azollae, das mit Azolla eine Art Gemeinschaftsunternehmen, eine Symbiose gegründet hat. Anabaena bekommt von Azolla organische Verbindungen und Aminosäuren sowie ein sicheres Domizil. Dafür liefert Anabaena den Stickstoffdünger Ammoniak, den es aus dem Stickstoffgas der Luft herstellt. Gemeinschaft macht stark und treibt die Evolution an.



Fädige, blaugrüne Cyanobakterien (Anabaena azollae) leben in lockeren Knäueln in Einsenkungen an der Schuppenunterseite. Die blaugrünen Zellen sind wie auf einer Perlenkette aufgereiht, unterbrochen von größeren, farblosen und dickwandigen Zellen (Hetorocysten), die mit Hilfe des Enzyms Nitrogenase Luftstickstoff in Ammoniak verwandeln. 


Stickstoff ist für alles was lebt unverzichtbar, denn er wird für den Eiweißaufbau gebraucht und ohne Eiweiß kein Leben. Aber er ist Mangelware. Nur weil mit chemisch hergestelltem Stickstoff gedüngt wird, kann die Menschheit ernährt werden. Das ist teuer und verschlingt viel Energie. Zwar besteht die Luft zu 80 Prozent aus Stickstoff, doch nur einige Bakterien können ihn aus der Luft aufnehmen, Pflanzen, Pilze und Tiere gar nicht. Aber Anabaena kann das und einige andere Bakterien, die zum Beispiel mit Bohnen und Erlen in Symbiose leben, ebenfalls.  



Reis mit Azolla in einer Schiebkarre 


Die Symbiose von Azolla und Anabaena produziert jährlich 95 kg reinen Düngestickstoff (N2)    pro Hektar – kostenlos. Wird das Wasser abgelassen und der Reis geerntet, kompostiert der Azolla-Teppich und sein Stickstoffdünger wird für die nächste Ernte frei. Aus den Sporen wächst ein neuer Düngeteppich für die übernächste Reisernte und so weiter. Artenschutz ist Menschenschutz, denn Reis ernährt Milliarden von Menschen. Und dies ist nur ein Beispiel von vielen.


Mit solchen Pfunden müssen wir wuchern. Hier muss Geld in Forschung und Entwicklung gesteckt werden. Doch was macht unsere Regierung? Sie zwingt uns Stromkunden mit ihrem „Erneuerbare Energie Gesetz (EEG)“ Jahr für Jahr 28 Milliarden Euro für eine sinnlose Art der Energiewende zu zahlen, unser Land mit Windmühlen und Solaranlagen zu verschandeln und Vögel und Fledermäuse vom Himmel zu schlagen. 


Dabei hat bereits am 26. Februar 2014 die regierungseigene, unabhängige Expertenkommission für Forschung und Innovation (EFI) der Bundeskanzlerin ihr Gutachten zum EEG überreicht. Darin wird zusammenfassend wörtlich festgestellt: „Das EEG sorgt also nicht für mehr Klimaschutz, sondern macht ihn deutlich teurer.“ Windmühlen und Solaranlagen sind also für die Katz. Stattdessen fehlt Geld für Forschung und Entwicklung und Wissenschaftler an Universitäten müssen von der Industrie „Fremdmittel einwerben“, damit sie forschen können.




Dr. Friedrich Buer
7. August  2016



Dr. Friedrich Buer ist Gründungsmitglied und Beirat des „Verein für Landschaftspflege und Artenschutz in Bayern e.V. – VLAB“, einem neuen offiziell anerkannten Natur- und Umweltschutzverband. Ehrenpräsidenten sind Enoch zu Guttenberg und Hubert Weinzierl.